Praktica (1964-1989)
Zwischen 1964 und 1989 betrieb der Volkseigene Betrieb (VEB) Pentacon Dresden eine Produktion in der Strafvollzugseinrichtung (StVe) Cottbus. Von rund 800 bis 1.200 Häftlingen waren 250 bis 300 für den Betrieb in Cottbus abgestellt.1 Ihre Aufgabe bestand im Stanzen von Aluminiumgehäusen und dem Entgraten der Gehäuse. Beim Entgraten, dem Entfernen scharfer Kanten vom Gehäuse mit einer einfachen Feile, kam es häufig zu Verletzungen und darüber hinaus auch zu Ekzemen an den Händen.2 Die allgemeinen Bedingungen der Haft waren entprivatisierend und durch kriminelle Häftlinge gab es Spott.3 Es war durchweg kalt, ob bei den Duschen oder bei der Arbeit.4 Vor Gewalt an Häftlingen wurde nicht zurückgeschreckt.5
Des Weiteren wurde die Arbeit der Häftlinge für den Export billiger Waren in den Westen genutzt. 62,8% der 8 Millionen hergestellten Kameras zwischen 1964 und 1989 wurden als Devisenbringer gebraucht.6 Dabei waren in Cottbus für die Fertigung der sogenannten Pentirahmen 40 der 50 Maschinen des VEB Pentacon im Einsatz. Dies bedeutet, dass 80% aller Gehäuse, die Pentacon
fertigen ließ, in Häftlingszwangsarbeit entstanden sind.7
Mit dem neuen SED-Unrechtsbereinigungsgesetz wird die SED-Opferrente erhöht. Sie wird darüber hinaus nicht mehr an die Bedürftigkeit, also einer „besonderen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage“8 , gekoppelt. Diese Entwicklungen gehen in die richtige Richtung, kommen jedoch zu spät. Eine gesellschaftliche Aufarbeitung hat bis heute nicht stattgefunden und wird durchaus erschwert. Die Arbeit „Praktica (1964-1989)“ will, gekoppelt an die Vorarbeit von Gedenkstätten, wie dem Menschenrechtszentrum Cottbus oder der Union Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, die bis heute um Geld und Anerkennung kämpfen, die Geschichte der Opfer des SED-Regimes am Beispiel Pentacon und Cottbus, aufarbeiten, interpretieren und verbildlichen. Zudem übt sie sich an einer medienreflexiven Haltung, die die ideologische Einschreibung einer ganzen Staatsideologie in der Kamera- und Fotografiegeschichte untersucht.
Zu der Arbeit ist ein Glossar entstanden.
Alle Einzelbilder der Arbeit sind hier als PDF einzusehen.
Die beiden Videos können hier eingesehen werden.
1
Vgl. Kunze, Samuel / Mirschel, Markus: Abschlussbericht für die Vorstudie „Zwangsarbeit
politischer Häftlinge in Strafvollzugseinrichtungen der DDR“. Humboldt-Universität zu Berlin,
Lehrstuhl für die Ge- schichte Osteuropas, Union der Opferverbände Kommunistischer
Gewaltherrschaft e.V., Berlin, 29.02.2024, S. 28f.
2 Vgl. Unveröffentlichtes Interview mit dem ehemaligen Häftling Martin Klopf, geführt vom Verfasser
am 9.11.2023.
3 Vgl. Unveröffentlichtes Interview mit dem ehemaligen Häftling Roland Braukmann, geführt vom
Verfasser am 19.02.2024
4 Vgl. Unveröffentlichtes Interview mit dem ehemaligen Häftling Peter Keup, geführt vom Verfasser am
15.12.2023
5 Unveröffentliches Interview mit dem ehemaligen Häftling Andreas Schmidt, geführt vom Verfasser am
23.11.2023; Unveröffentlichtes Interview mit dem ehemaligen Häftling Martin Klopf, geführt vom Verfasser
am 9.11.2023; Unveröffentlichtes Interview mit dem ehemaligen Häftling Wolfgang Brauns, geführt
vom Verfasser am 15.04.2024; Unveröffentlichtes Interview mit dem ehemaligen Häftling Peter Keup,
geführt vom Verfasser am 15.12.2023
Die Interviews ergaben übereinstimmende Aussagen mehrerer Zeitzeugen.
6 Vgl. Kunze / Mirschel, 2024, S. 27.
7 Vgl. ebd. S. 28f.
8 Vgl. Bundestag: Sechstes Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer
der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR, in: bundestag.de, o. D., online unter: https://
www.bundes- tag.de/parlament/sed-opferbeauftragte/informationsuebersicht-zu-dengesetzesaenderungen-
1042460 (abgerufen am 31.05.2025)